Der Manichäismus war eine Religion, die in der Spätantike zeitweilig mit dem Christentum konkurrierte. Verkündet wurde der neue Glaube von dem Religionsstifter Mani im dritten Jahrhundert n. Chr. Der Manichäismus enthält nicht nur judäochristliche, zoroastrische und buddhistische Elemente, sondern auch gnostische und hellenistische Bestandteile. Die Religion Manis breitete sich vom dritten Jahrhundert an nicht nur im Mittelmeerraum, sondern auch entlang der Seidenstraßen bis nach China aus und wurde infolge ihrer Annahme durch den uigurischen Herrscher bis zu ihrer Verdrängung durch den Buddhismus zu einer Art "Hofreligion" im Uigurischen Reich (von 744 - 840 n. Chr.). Während die "Religion des Lichts" im Westen starker Bedrängung ausgesetzt war, scheint sie im Osten vergleichsweise friedlich vom Buddhismus abgelöst worden zu sein.

Bis zu Beginn des 20. Jhs. waren keine Selbstzeugnisse des Manichäismus bekannt. Erst im Zuge der Preußischen Turfanexpeditionen unter der Leitung von Albert von Le Coq wurden im Westen Chinas manichäische Literaturdenkmäler in verschiedenen zentralasiatischen Sprachen - darunter in Uigurisch - zutage gefördert. Mit der Auswertung und der Edition der Manichaica wurde unmittelbar nach den Expeditionen begonnen. Die Texteditionen der Pioniere auf diesem Gebiet genügen allerdings nicht den heutigen Ansprüchen, und so wurde im Dezember 2008 bei der Akademie der Wissenschaften die Kommission "Manichäische Studien" eingerichtet, mit dem Ziel, die früheren Editionen der uigurischen Manichaica zu überarbeiten sowie noch unpublizierte Manichaica erstmals zugänglich zu machen.

Den Anstoß für dieses Unternehmen gaben Klaus Röhrborn, Professor em. am Seminar für Turkologie und Zentralasienkunde der Universität Göttingen und Ordentliches Mitglied der Göttinger Akademie, und Aloïs van Tongerloo, Professor für Iranisch und Türkisch an der Katholischen Universität in Leuven. Prof. van Tongerloo hat bereits 1994 das Projekt Corpus Fontium Manichaeorum, das die Aufgabe hat, alle primären und relevanten sekundären Quellen des Manichäismus zusammenzustellen und zu veröffentlichen, ins Leben gerufen. Diese Quellen liegen in 15 antiken und mittelalterlichen Sprachen vor - darunter auch auf Uigurisch (Alttürkisch), der Sprache des manichäischen Königreichs in Zentralasien .In den Jahren 2010, 2011 und 2015 wurden drei interdisziplinäre Arbeitstagungen unter Beteiligung führender internationaler Manichäologen durchgeführt. Die Tagungsakten von beiden Arbeitstagungen sind bereits publiziert. Daneben wurde - in Verbindung mit dem Seminar für Turkologie und Zentralasienkunde - eine Vortragsreihe inauguriert. In loser Folge soll hier über manichäische Themen referiert werden. Der erste Vortrag fand im Februar 2011 statt. Seit dem Jahre 2010 steht außerdem in jedem Wintersemester eine manichäologische Lehrveranstaltung auf dem Lehrplan dieses Seminars.