Abt. II: Soziale Gruppen, Ökonomien und politische Strukturen in Residenzstädten

Die  zweite Abteilung des Handbuchs dient der exemplarischen Vertiefung und vergleichenden Systematisierung aus sozialgeschichtlicher Perspektive. Ziel ist die Analyse der Gemeindeentwicklung in Residenzstädten, sozialgeschichtlich umfassend verstanden im Sinne urbaner Vergemeinschaftungsprozesse, stets auch im Verhältnis zu Herrschaft und Hof. Als Kontext zu beachten sind dabei analoge Prozesse in Orten anderer Prägung (Landstädte ohne Residenzfunktion, Reichsstädte, aber auch nichtstädtische Siedlungen), um Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausarbeiten zu können. Inhaltliche Schwerpunkte bilden Stadtwerdungsprozesse, Bevölkerung, Sozialtopographie und innere Urbanisierung, die politische Entwicklung der städtischen Gemeinde und ihrer Vertretung, soziale Gruppen in der Stadt, die Einbindung in zwischenstädtische und territoriale Netzwerke, die Beziehungen zum Stadtherrn, zu dessen lokalen Funktionsträgern und zum Hof. Besonderes Gewicht ist dabei auf die strukturellen und personellen Verflechtungen der beteiligten Akteure zu legen. Umfangreiche Prosopographien können im Rahmen des Handbuchs zwar nicht vorgelegt werden, aber das Verhältnis städtischer und herrschaftlicher Strukturen ist im methodischen Anschluss an die Soziabilitätsanalyse als Geflecht sozialer Interaktionen qualitativ, vergleichend und systematisch zu analysieren.

Aufbau: Die Handbuchabteilung II gliedert sich in drei Bände – zwei regional geordnete Bände mit exemplarischen Analysen zu einzelnen Residenzstädten, ein systematisch angelegter Band:

Bände II/1 und II/2 (exemplarischer Teil): Die Bände II/1 und II/2 liefern exemplarische Analysen zu jeweils zwölf Orten, deren Auswahl sich in Koordination mit Handbuchabteilung III nach typologischen Kriterien richtet und den Forschungsstand wie die geographische Streuung berücksichtigt. Auswahlkriterien sind Größe, Stadtherr (fürstlich, bischöflich usw.), chronologische Einordnung der Stadtwerdung (hoch-/spätmittelalterlich, frühneuzeitlich), Residenztypus (z.B. Haupt-/Nebenresidenz), besondere Interaktionsformen (z.B. Konflikte zwischen Stadtherr und Gemeinde, Wechsel der herrschaftlichen oder dynastischen Zugehörigkeit, Abbruch der Residenzfunktion), landständische Einbindung, wirtschaftliche Struktur, kirchliche Institutionen und geistliche Gemeinschaften, Auswirkungen von Reformation und Konfessionalisierung. Besonderes Augenmerk gilt dabei entsprechend der Gesamtkonzeption des Projekts kleineren Städten.

Die insgesamt 24 Studien der beiden exemplarischen Bände der Handbuchabteilung II werden mit ihren je spezifischen Fragestellungen fünf Gliederungspunkten zugeordnet, die das Thema unter Anlegung zentraler analytischer Perspektiven des Forschungsprojekts strukturieren und auf denen auch die Ordnung des systematischen Teils (Handbuchband II,3) aufbaut. Diese Forschungsperspektiven, die für die Handbuchabteilungen II und III parallel gesetzt, inhaltlich zum Teil aber differenziert ausgestaltet sind, basieren auf den miteinander verbundenen Koordinaten von Zeiten, Räumen und Praktiken:

I.     Zeiten und Prozesse. Kontinuitäten – Zäsuren – Transformationen
II.    Räume und Beziehungen. Zentralität – Verflechtungen – Netze
III.   Praktiken (1): Verbinden und Ordnen. Personen – Gruppen – Korporationen
IV.   Praktiken (2): Organisieren und Aushandeln. Verfahren – Kooperationen – Konflikte
V.    Praktiken(3): Wirtschaften und Versorgen. Ökonomien – Märkte – Finanzen

Band II/3 (systematischer Teil): Der systematische Teil bietet eine Synthese des erreichten Forschungsstandes und baut sowohl auf den exemplarischen Studien der Handbuchbände II,1-2 auf als auch auf dem Material, das in den Ortsartikeln der Handbuchabteilung I vorgelegt wurde. Die Residenzstädte des Alten Reiches werden damit abschließend auf einer allgemeineren Ebene betrachtet, ohne jedoch die erheblichen Differenzen des Gegenstandes einzuebnen. Vielmehr sind die Unterschiede, die zwischen den Residenzstädten im synchronen wie diachronen Vergleich bestehen, typologisch einzuordnen. Dabei ändert sich die Perspektive von der Deskription einzelner Orte und der Bearbeitung exemplarischer Fragestellungen hin zur systematischen Darstellung von Sachthemenbereichen. Im Ergebnis soll dieser Gegenstand dem Benutzer des Handbuchs unter unterschiedlichen sachlichen Gesichtspunkten in überschaubaren Texteinheiten erschlossen werden, die zugleich wiederum auf die anderen Handbuchbände verweisen.

Die im exemplarischen Teil angelegte Gliederung in fünf Forschungsperspektiven wird auch dem systematischen Teil zugrunde gelegt, um den Arbeitsprozess wie die spätere Benutzung durchgehend zu strukturieren und entsprechende Bezüge herzustellen. Jeder dieser fünf Forschungsperspektiven werden vier bis acht Sachartikel zugeordnet, die jeweils einem begrenzten, gleichwohl nicht zu eng gewählten Thema gewidmet sind. Über Verweise werden Querbeziehungen zu den exemplari­schen Studien wie zwischen den Sachartikeln, je nach Bedarf auch zu den Ortsartikeln hergestellt. Ergänzend wird zu jeder der fünf übergeordneten Forschungsperspektiven ein Text aufgenommen, der neben ei­ner konzeptionell geleiteten übergreifenden Skizze der weiteren inhaltlichen Vernetzung der systema­ti­schen Sachartikel und der exemplarischen Studien dient.